Die athletischen und sportmotorischen Anforderungen an FußballerInnen und die dafür passenden Leistungstests

Die physischen Anforderungen an FußballspielerInnen sind mannigfaltig. Pro Match werden durchschnittliche Distanzen von 10-13km zurückgelegt. Davon finden rund 800m bei hohen Geschwindigkeiten (>19,8km/h) und 300 bei sehr hohen Geschwindigkeiten (>25,2km/h) statt. Zusätzlich zu diesen Distanzen addieren sich Zweikampfsituationen, Sprünge, Schüsse und Richtungswechsel.

Ein erfolgreicher Trainingsansatz muss neben der taktischen Komponente eine holistische Entwicklung physischer Kernparameter darstellen.
Um nicht ins Blaue hineinzugeraten und die Spielerin auf ihrem individuellen Leistungslevel abzuholen und basierend auf diesem weiterzuentwickeln, bieten sich diverse Leistungstests an. Mit Hilfe dieser objektiven Ergebnisse können Stärken-Schwächen-Profile entworfen, die Effektivität von Trainingsinterventionen kontrolliert oder Talente frühzeitig identifiziert werden.

Im Folgenden möchten wir auf die wichtigsten physischen Leistungskomponenten im Fußball eingehen und um diese herum einen objektiven Testungsrahmen bauen.

Aerobe Kapazität

Eine hohes aerobes Leistungslevel führt dazu, dass die Athletin eine erhöhte Ermüdungsresistenz vor allem gegen Ende des Spiels aufweist. Das führt zu einem geringeren Abfall technischer Fähigkeitskomponenten, wie Ballannahmen oder Dribbling.

Einen wichtigen Wert der aeroben Fitness stellt die maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max) dar. Labortypische Tests, wie beispielsweise die Spiroergometrie können Auskunft über die VO2max geben, gleichzeitig sind sie aber im Zuge von Teamtestungen, aufgrund des Testprotokolls nur wenig geeignet. Für ein Teamsetting sind andere Feldtests wie der Cooper-Test, Yo-Yo Test Level 1 oder 2 oder der 30-15 intermittierende Fitnesstest geeigneter, da sie ebenfalls einen guten Einblick in die aerobe Kapazität bieten und mit vielen Athletinnen gleichzeitig am Feld durchgeführt werden können.

Sprintfähigkeit: Beschleunigung und Spitzengeschwindigkeit

Mit mehreren Blicken auf die Entwicklung der sprintverbundenen Komponenten zeigt sich über die Jahre ein deutlicher Trend: Die Spieler werden schneller und die Häufigkeit und Distanz, die mittels Sprints zurückgelegt werden, nehmen zu.

Schnell zu sein und schnell beschleunigen zu können, macht den Unterschied zwischen Weltklasse Spielerinnen und jenen in den unteren Ligen aus. Eine gängige Methode die Beschleunigungsfähigkeit und Maximalgeschwindigkeit zu testen, ist die Verwendung von linearen Sprints unter dem Einsatz von Lichtschranken. Je nach Verfügbarkeit nach 10,20,40 und 60m. Hierbei kann man nicht nur Daten erheben sondern über eine individuelle Sprint-Force-Velocity-Profile-Analyse die jeweilige „Baustelle“ (horizontale Kraft, RFD, Beschleunigung, Maximalgeschwindigkeit, …) in den kommenden Trainingszyklen mehr in den Fokus stellen.

Die Maximalgeschwindigkeit (auch wenn sie in Spielen selten erreicht wird) ist aus dem Grund der sogenannten wiederholten Sprintfähigkeit (repeated sprint ability) eine wichtige Kenngröße. Höhere maximale Geschwindigkeiten vergrößern den Puffer zwischen maximaler Geschwindigkeit während kurzer Sprints und tatsächlich maximal möglicher Geschwindigkeit. Kürzere Sprintintervalle sind demnach per Definition weniger intensiv.

Kraft

Kraft ist immer im Kontext von Bewegungen zu sehen und umfasst verschiedene Fertigkeiten wie: Muskelmasse, Muskelfaserzusammensetzung, Bewegungskoordination/Technik, Muskelansteuerung sowie deren Rekrutierung. Auch wenn die Maximalkraft als solche, wie man sie beispielsweise aus dem Powerlifting kennt, einen limitierten direkten Übertrag auf sportliche Leistungsfähigkeit hat, ist sie dennoch eine wichtige Grundlage um Athletinnen überhaupt erst explosiv machen zu können.

Anstelle von „explosiv“ könnte man auch „impulsiv“ sagen. Es gibt einen wichtigen Zusammenhang zwischen dem Kraftstoß (F x t) und dem Impuls (m x v). Der Kraftstoß hat daher einen unmittelbaren Einfluss auf die Geschwindigkeit, und demnach auf die Fähigkeit Richtungsänderungen durchzuführen oder um schnellstmöglich zu beschleunigen. (v=Ft/m).

Kann beispielsweise eine Athletin bei einem Richtungswechsel eine bestimmte Kraft in kürzerer Zeit in den Boden wirken als ihre Gegnerin, kann sie sich von ihr distanzieren und hat mehr Zeit, Platz bzw. Spielraum, den möglichen Pass anzunehmen. Aus dem Kontext der Kraft heraus betrachtet, bedeutet das, dass Elite-Level-Athletinnen sowohl viel Kraft produzieren, als auch diese Kraftproduktion in kurzen Zeitspannen erzeugen können.

Um also die Impulsproduktion für Athletinnen zu optimieren ist einerseits ein gewisses Kraftniveau erforderlich und andererseits eine hohe neuronale Effizienz, um möglichst viel von dieser Kraft in kurzer Zeit abzurufen.

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Dehnungsverkürzungszyklus

Eine weitere wichtige Komponente, welche Einfluss auf eine rapide und hohe Impulsentwicklung hat ist der Dehnungsverkürzungszyklus und wie effizient dieser von der Athletin genutzt werden kann. Diverse Sprungtests bieten sich sehr gut an, da sie sowohl Einblick in die Kraftproduktionsfähigkeit, die allgemeine Power und die Ökonomie des Dehnungsverkürzungszyklus geben können.

Im Folgenden möchte ich auf den Counter Movement Jump als Sprungderivat und auf seine relevanten Metriken genauer eingehen:

Ein augenscheinliches Messkriterium ist bei diesem Test die Sprunghöhe. Sie resultiert aus der vertikalen Bodenreaktionskraft bzw. dem vertikalen Impuls. Die Sprunghöhe kann mittels unterschiedlichster Messtools erhoben werden: Optojump, Kraftmessplatten, MyJump App, Gymaware usw.

Durchschnittliche Sprunghöhen liegen bei Frauen bei 30cm und bei Männern bei 40cm. Wichtig in dem Kontext der Sprunghöhe ist es zu verstehen, dass eine bestimmte Sprunghöhe entweder durch einen hohen Kraftimpuls in kurzer Zeit oder andererseits genau anders herum erreicht werden kann. Im Fußballsetting ist Ersteres zu bevorzugen.

Um mehr Einsicht in die Kraftproduktionsstrategie der jeweiligen Athletinnen zu bekommen, macht die Auswertung eines Kraft-Zeit-Diagramms, welches mittels einer Kraftmessplatte erhoben werden kann, viel Sinn. Über das Verhalten der jeweiligen Sprungphasen kann sich der Kraft und Konditionstrainer ein genaueres Bild über die Effektivität des neuromuskulären Systems und Funktion des langsamen Dehnungsverkürzungszyklus machen. Diese Informationen helfen anschließend dabei, ein individualisiertes Trainingsprogramm zu erstellen. Sollte man den Fokus eher auf Exzentrik, Konzentrik, Maximalkraft, oder Rate der Kraftentwicklung legen?

Eine weitere Kontrollmöglichkeit für die Reaktivkraft stellen Drop Jumps oder wiederholte Sprünge dar. Der daraus erhobene „Reactive Strength Index“ oder RSI ist eine valide Möglichkeit um die Funktion des kurzen DVZ’s und der Steifigkeit des muskuloskelettalen Systems zu überprüfen. Der RSI erzeugt ein Verhältnis zwischen Sprunghöhe und Bodenkontaktzeit, wodurch wiederum Informationen über die Strategie der Impulsproduktion gewonnen werden können.

Der RSI zeigt eine moderate Korrelation zur Beschleunigungsfähigkeit und Top Speed, und hohe Korrelationen zur Fähigkeit, Richtungswechsel durchzuführen (change of direction).

Zwei gängige Möglichkeiten den RSI zu berechnen ist der Dropjump aus 30cm Höhe oder der 10-5 Sprungtest. Das bedeutet, sowohl der Counter Movement Jump, als auch der Drop Jump sind wichtige und notwendige Sprungtestungen um unterschiedliche Einblicke in die physischen Leistungsparameter zu bekommen. Erster gibt Auskunft über den langen Dehnungsverkürzungszyklus (>250ms), letzterer über den kurzen DVZ (<250ms).

Agility und Change of Direction

Agilität beschreibt eine schnelle Ganzkörperbewegung mit einer Veränderung der Geschwindigkeit oder Richtung in Abhängigkeit eines Stimulus und ist eine wichtige Schlüsselkomponente physischer Leistungsfähigkeit. Das große „Problem“ der Agilität ist ihre Komplexität und ihre Limitation, sie mittels Tests zu überprüfen.

Aus diesem Grund kommt es meistens dazu, die reaktive Komponente (Stimulus) wegzulassen und sich stattdessen rein auf die Fähigkeit der Richtungsänderung zu konzentrieren.

Aber auch die Tests des COD kommen mit ihren Limitationen. So sind unterschiedliche Parcours (Illinois agility test, 505 Test) immer testspezifisch (Startposition, Winkel der Richtungsänderung Sprintdistanzen,…). Es ist wichtig, sich dies im Hinterkopf zu behalten. Aus dieser Betrachtungsperspektive heraus gibt es den RICHTIGEN Agility/COD Test für Fußballspieler nicht.

Praktische Anwendung

Die Anforderungen an FußballerInnen sind vielfältig. Dieser Artikel steckt einen groben Rahmen um die wichtigsten physischen Leistungskomponenten und deren jeweiligen Testungsmöglichkeiten ab. Folgende Grafik soll nochmals die wichtigsten Kerntests widerspiegeln:

Praktische Anwendungen

Adaptiert nach M. Tylor (2022)

Normative Daten Fußball Männlich
Normative Daten Fußball Weiblich

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Quellen

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